PRESSEGESPRÄCH
Wien, 23. September 2019

SOS KLIMA
Elementare Bausteine für einen wirkungsvollen Klimaschutz
Vorreiterrolle Österreichs und Europas in der KLIMAPOLITIK durch TRANSFORMATION & INNOVATION

Motivation & Ziele von #forumFUTURE

Wir teilen die Einschätzung & unterstützen den Aufruf von Fridays for Future!

Die Zeit drängt, jetzt gilt es rasch und entschlossen zu handeln! Ausgehend von den Einzelstreiks der Schülerin Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament vor etwa einem Jahr, über die weltweiten Schulstreiks am 15. März dieses Jahres mit nahezu 1,8 Mio. Menschen, bis zum aktuellen globalen Streikaufruf, der internationalen Week of Future, die mit 20. September gestartet ist, sind drei zentrale Botschaften der weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung:

  1. Wir befinden uns in einer Klima- und Umweltkrise die die Anerkennung und Ausrufung eines Klima- und Umwelt-Notstandes (“climate & environmental emergency“) durch die Politik erforderlich macht.
  2. Rasches und konsequentes Handeln (“climate & environmental action“) ist notwendig.
  3. Betreffend Problemdiagnose und -lösungen: “UNITE BEHIND THE SCIENCE – We want politicians to listen to the scientists“.

Wir befinden uns in einer vielschichtigen, globalen ökologischen Krise, die durch die Klimakrise nunmehr zunehmend sichtbar und wahrgenommen wird. Die Zeit drängt, jetzt gilt es zu handeln und eine fundierte und mutige Politik der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation umzusetzen.

Wir fordern mehr Sachkompetenz in der Politik

Den Aufruf der Fridays-for-Future-Bewegung haben wir als Motivation zur Etablierung von #forumFUTURE verstanden, einem Kompetenzforum für Nachhaltige Entwicklung in Politik, Wirtschaft & Gesellschaft. Die Kooperation von #forumFUTURE mit den GRÜNEN hat folgende Ziele und Begründungen:

  • Wir wollen die zunehmende Schein- & Show-Politik überwinden helfen, vor allem im Bereich Klima und Energie, aber auch darüber hinaus auf dem Gebiet einer gesamtheitlich zukunftsorientierten Nachhaltigen Entwicklung.
  • Die GRÜNEN sind für uns die Partei mit hoher Eigenkompetenz, größter Glaubwürdigkeit und zugleich entsprechender Prioritätensetzung in diesem Politikfeld.
  • Viele der Politik-Ansätze für eine Nachhaltige Entwicklung und im Bereich Klima & Energie erfordern auch eine nationale Umsetzung. Ebenso wichtig aber ist der EU-Kontext und der weltweit internationale Kontext über die EU. Auch auf EU-Ebene treten DIE GRÜNEN am geschlossensten und entschlossensten auf.

Wir sehen die GRÜNEN als die LOKOMOTIVE für kompetenz-, evidenz- und wissensbasierte Nachhaltigkeits- und Klimapolitik in der österreichischen Parteienlandschaft, die stark genug ist, all die gewichtigen Waggons an Nachhaltigkeitszielen, die sogenannten Sustainable De-velopment Goals (SDGs), für eine moderne, zukunftsausgerichtete Nachhaltige Entwicklung in Ös-terreich zu ziehen.

Transformation: Hin zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft mit innovativer Energie- und Kreislaufwirtschaftspolitik

Die möglichen Evolutionspfade hin zu einer innovativen, zukunftsverträglichen Energie- und Kreislaufwirtschaftspolitik lassen sich auf Basis einer Entwicklung verstehen, die auf 4 Ebenen abläuft:

EBENE 1: De-Carbonisierung (Substitution von fossilen Rohstoffen)

EBENE 2: Carbon-Management (Carbon-Lebenszyklusanalysen und deren Optimierung entlang der Wertschöpfungskette)

EBENE 3: 3i-Strategie – Innovation, Integration, Inversion (Aufspüren von Synergiepotentialen für End-Funktionalitäten/Dienstleistungen)

EBENE 4: Radikal-Transformationen von Prozessen & Produkten (gesamtheitlicher Ansatz unter Nutzung vielschichtiger Verschränkungspotentiale mit Koppelung und Integration von Energie- und Stoffwirtschaft)

Je schneller wir uns in Richtung Ebene 4 bewegen, umso besser für das Klima! Gesamtwirtschaftlich sind daher zuverlässige, robuste und langfristig angelegte politische Rahmenbedingungen erforderlich die eine rasche, auch wirtschaftlich attraktive Transformation in diese Richtung möglich machen.

Die Transformation gelingen lassen: Klimagerechte Steuerreform

Der Referenz-Plan der Wissenschaft für den Nationalen Energie- und Klimaplan (Referenz-NEKP) identifiziert sie als unabdingbar, um Österreichs Transformation gelingen zu lassen: eine sozial-, wirtschafts- und umweltgerechte Steuerreform, auch sozial-ökologische oder öko-soziale Steuerreform genannt, die Kostenwahrheit annähert (CO2- und Ressourcen-Preis, Abbau fossiler Subventionen, Anreiz klimafreundlicher Innovationen) und mit Blick auf breite Akzeptanz zugleich Entlastung für Menschen mit niedrigem Einkommen sowie für Nebenkosten auf Arbeit sicherstellt.
Breit erprobt in Europa: in bereits 12 Ländern wird sie eingesetzt, weitere Länder, wie die Niederlande, haben sie bereits beschlossen. Schweden führte sie 1991 ein (damals mit 24 €/t CO2), stufenweise wurde der Satz auf derzeit rund 115 €/t CO2 angehoben, zuletzt auch auf alle Sektoren (Industrie) ausgeweitet. Die CO2-Emissionen sind in diesem Zeitraum (1990-2017) um 26 % zurückgegangen, obwohl die Wirtschaft um 78 % gewachsen. Die Wirtschaftsstruktur hat sich verändert, die Investitionen und eingesetzten Raumwärmetechnologien, kurz: Schweden ist nachhaltiger geworden!

Demgegenüber sind in Österreich die Treibhausgasemissionen heute höher als 1990, die Wirtschaft ist übrigens auch weniger stark gewachsen. Warum gibt es die öko-soziale Steuerreform in Österreich dennoch noch nicht?

  1. „Keine neuen Steuern“ – aber Schweden hat parallel zur Ein- und Anhebung seine Steuerquote um 6 Prozentpunkte gesenkt.
  2. „Pendler werden zu sehr belastet“ – aber dies ist davon abhängig wie die Einnahmen ver-wendet werden. In der Schweiz (aufkommensneutrale Einhebung) werden diese Großteils als Klimabonus pro Kopf rückverteilt, der verbleibende Anteil senkt die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber. Damit gewinnen die unteren Einkommensquartile netto dazu weil sie in absoluter Nachfrage weniger Treibausgas-intensiv leben.
  3. „Wenn wir einerseits eine Steuer einheben, andererseits zurückverteilen – was bringt das dann überhaupt“ – der Anreiz bei den Ausgaben in der Produktwahl auf die dann im Preis sichtbare Klimafreundlichkeit Rücksicht zu nehmen führt zu einem klimafreundlicheren Konsum, mittelfristig gehen Steuereinnahmen (und Klimabonus) zurück, bis wir bei Treibhausgasneutralität keine mehr einheben. Die Rückverteilung als Klimabonus ist erforder-lich, weil wir in den jetzigen fossilen Strukturen noch nicht von einem Tag auf den anderen treibhausgasneutral leben können – für die Übergangszeit brauchen wir diesen sozialen Ausgleich. In der täglichen Konsumentscheidung ist der Steuersatz wirksam und bringt uns zu zukunftsfähigen Wirtschaftsstrukturen.

In weiteren europäischen Ländern ist eine CO2-Steuer bereits beschlossen. So führte in den Niederlanden die Klage der Regierung („zu wenig Klimapolitik“), und das auch in der Berufung bestätigte Gerichtsurteil („Urgenda-Fall“) dazu, dass ein breit aufgesetzter gesellschaftlicher Dialog gestartet wurde, an dessen Ende ein Maßnahmenpaket stand, dessen Beschluss am 28. Juni 2019 veröffentlicht wurde. Es enthält eine CO2-Steuer, die bei 30 €/t CO2 im Jahr 2021 beginnen wird, und bis 2030 auf 125 € bis 150 € ansteigen soll.

Eine klimagerechte Steuerreform alleine ist nicht genug!

Was gilt es in der Transformation zu verändern? Zum einen die täglichen Entscheidungen der Konsumenten (Nachfrage), der Unternehmen (Betriebsausgaben). Da hilft eine klimagerechte Steuerreform. Zum anderen die Ankaufsentscheidungen der Haushalte (dauerhafte Konsumgüter, Wohnstrukturen, usw.) und die Investitionsentscheidungen der Unternehmen. Vor allem um letztere zukunftsträchtig gelingen zu lassen, braucht es eine Reihe weiterer Maßnahmen:

  • Beseitigung von hemmenden Regulierungen und Barrieren: etwa das Weiterleitungsverbot für (auch erneuerbaren) Strom, die strikt getrennten Kostenrechnungen der öffentlichen Hand für Investitionen und Betrieb, usw.
  • Weiterentwicklung bestehender Rahmensetzungen: etwa die Vorgabe nur mehr substantieller Sanierungen (Zero-Emission-Building), Gebäude-Standards, die auf Quartiersebene ansetzen und auf die Integration der Netze für Strom, Wärme, Anergie, Kälte, und Information abzielen.

Eine sozial-, wirtschafts- und umweltgerechte Steuerreform ist eine der effek-tivsten Möglichkeiten Österreichs Transformation zu einer innovativen und zukunftsfähigen Wirt-schaft gelingen zu lassen. Wir können auf breiter Erfahrung in vielen Ländern Europas aufbauen, und sie über die Verwendung der Einnahmen (Klimabonus, Senkung der Lohnsteuern inkl. Negativ-steuer) mit Netto-Einkommensgewinn für die niedrigeren Einkommensklassen gestalten.

Die Transformation der Stoffwirtschaft: Hin zur umfassenden Kreislaufwirtschaft (“Circular Economy“)

Ein zentraler Bestandteil der Transformation zu einer Nachhaltigen Entwicklung ist eine möglichst um-fassende, innovationsbasierte Kreislaufwirtschaft. Entsprechend enthält auch die Langzeit-Strategie für Klima der EU Kommission vom vergangenen November einen Schwerpunkt bei Innovation und Circular Economy. Allerdings ist anzumerken, dass nicht jede Kreislaufwirtschaft a priori nachhaltig ist!

Die Festlegung ökologisch & ökonomisch sinnvoller Ziele für die Rezyklierung von Produkten/Werkstoffen setzt „ökologische“ Produkt-Lebenszyklusanalysen (“product environmental footprint“) unter Berücksichtigung von Kosten/Nutzen-Betrachtungen voraus.


Nach dem jüngst veröffentlichten „Circularity Gap Report Austria“ im Auftrag der Altstoff Recycling Austria (ARA), liegt die derzeitige Recyclingquote bezogen auf den gesamten österreichischen Ressourcenverbrauch aus Mineralstoffen, Metallen, Kunststoffen, Biomasse und fossilen Energieträgern bei lediglich 9,7% liegt. Damit liegen wir etwas besser als der weltweite Durchschnitt von 9,1%. Dennoch zeigen diese Zahlen auf, wie groß die Lücke ist und dass noch große Herausforderungen zu einer Circular Economy zu bewältigen sind. Aufgrund der zentralen Schlussfolgerung der Studie, dass eine Volkswirtschaft die direkt oder indirekt auf fossile Energieträger setzt nicht zirkulär sein kann, fordert die ARA auch konsequent einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, sowie ein generelles Design for Recycling (auch für Gebäude und langlebige Produkte), den Ausbau von Recycling sowie Forschung und internationale Technologiepartnerschaften. Gerade für letzteres gibt es gute und zukunftsweisende Bespiele für Forschungsprojekte an österreichischen Universitäten.

Beispiel Kunststoffe: Nach einer Studie von denkstatt GmbH liegt die Obergrenze für öko-effizientes mechanisches (werkstoffliches) Recycling von Verpackungskunststoffen im Bereich von 30 – 50 %.

Eine künftige „nachhaltige“ Kreislaufwirtschaft muss demnach neben Öko-Effizienz-Kriterien die bereits stattfindende Transformation des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien berücksichtigen. Damit wird die Energietransformation beispielsweise zusammen mit neuen Optionen für zirkuläre Kohlenstoff-Technologien  (“carbon capture & utilization“, CCU) zum Game Changer für eine vollständige & nachhaltige Kunststoff-Kreislaufwirtschaft   (“all-circular plastics economy“)! Gleichzeitig bieten sich damit für neue Optionen für integrierte Geschäftsmodelle von CO2-Emmitenten (Stahlindustrie, Zementindustrie, fossiler Energiesektor) und chemischer Industrie.

Nicht jede Kreislaufwirtschaft ist a priori „nachhaltig“! Die Energietransformation wird zusammen mit neuen Optionen für zirkuläre Kohlenstoff-Technologien (“all-circular carbon management“) zum Game Changer für eine nachhaltige (Kunststoff-)Kreislaufwirtschaft!

Literatur

Bachner, G., Wolkinger, B., Mayer, J., Tuerk, A., Steininger, K.W. (2019), Risk assessment of the low-carbon transition of Austria’s steel and electricity sectors, Environmental Innovation and Soci-etal Transitions, in press. doi: j.eist.2018.12.005

Circle Economy and ARA – Altstoff Recycling Austria, THE CIRCULARITY GAP REPORT Austria – Closing the Circularity Gab in Austria, June 2019 https://www.ara.at/fileadmin/user_upload/Downloads/Circularity_Gap_Report/CGR_Austria_Endversion.pdf

denkstatt, Criteria for eco-efficient (sustainable) plastic recycling and waste management, Fact based findings of 20 years of denkstatt studies, September 11, 2014; Denkstatt GmbH, Vienna/Austria

European Commission. A Clean Planet for all: A European strategic long-term vision for a prosperous, modern, competitive and climate neutral economy. COM/2018/773 final. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52018DC0773

Gall, M., Wiener, M., Chagas de Oliveira, C., Lang, R.W., Hansen, R.W., Integration of the Informal Recycling Sector into a Social Circular Economy of Plastics – An African Case Study, Journal Resources, Conservation & Recycling, Special Issue: Advances on the Circular Economy, November 2018

Lang, R. W., in „Werkstoffe und Materialien für die Energiewende“; Hrsg. Bolt et al (acatech MATERI-ALIEN), München: Herbert Utz Verlag; 2017; S. 21ff

Schleicher, S., Köppl, A., Sommer, M., Lienin, S., Treberspurg, M., Österreicher, D., Grünner, R., Lang, R., Mühlberger, M., Steininger, K.W., Hofer, C., 2018. Welche Zukunft für Energie und Klima? Folgenabschätzungen für Energie- und Klimastrategien – Zusammenfassende Projektaussagen (No. 2018/082-1/S/WIFO-Projektnummer: 9616). Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, Wien. URL: https://ideas.repec.org/b/wfo/wstudy/61014.html bzw. https://www.wifo.ac.at/publikationen/publikationssuche?detail-view=yes&publikation_id=61014

Schleicher, S., und K.W. Steininger, Dekarbonisierung und Carbon Management für Österreich, Dis-kussionsbeiträge für Strategien, Scientific Report No.79-2018, November 2018, Wegener Center Verlag Graz, ISBN 978-3-9504501-8-7 bzw. https://wegcwww.uni-graz.at/publ/wegcreports/2018/WCV-WissBer-Nr79-SSchleicherK-Steininger-Nov2018.pdf

Schleicher, S. P., Steininger, K. W., Wirtschaft stärken und Klimaziele erreichen: Wege zu einem nahezu treibhausgasemissionsfreien Österreich. Wegener Center, November 2017. https://wegcwww.uni-graz.at/publ/wegcreports/2017/WCV-WissBer-Nr73-SSchlei-cherKSteininger-Nov2017.pdf

Steininger, K.W., Munoz, P., Karstensen, J., Peters, G., Strohmaier, R. Velazquez, E. (2018), Austria´s consumption based greenhouse gas emissions: Indentifying sectoral sources and destinations. Global Environmental Change 48: 226-242. doi: 10.1016/j.gloenvcha.2017.11.011

Pressegespräch Informationen

Kompetenzforum #forumFUTURE kooperiert mit DIE GRÜNEN für eine zukunftstaugliche Land- und Forstwirtschaft und für eine Innovative Energie- und Kreislaufwirtschaft

Zeit: Montag, 23. September 2019, 10:30 Uhr
Ort: SKY LOUNGE, Würtzlerstrasse 3, 1030 Wien

Am Podium für DIE GRÜNEN

Werner KOGLER, Bundessprecher und Spitzenkandidat der Grünen für die NR-Wahl
Leonore GEWESSLER, Listenzweite der Grünen für die NR-Wahl

Am Podium für #forumFUTURE

Karl AIGINGER, Leiter der Querdenkerplattform Wien Europa (Policy Crossover Center), Wien
Reinhold W. LANG, Institut für Polymeric Materials and Testing, Johannes Kepler Universität Linz
Karl W. STEININGER, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz